Warum entstehen Konflikte beim Essen?
Oft schildern Eltern, wie schwierig die Situationen rund um den Esstisch seien. Sie erzählen, wie heikel ihre Kinder seien und wie eingeschränkt das sei, was diese überhaupt essen. Ihre Vorstellung von gesundem Essen ist so ganz anders als die ihrer Kinder. Generell stehen Reibungsflächen und Konflikte bei der Begleitung von hochsensiblen Kindern oft im Zusammenhang mit der sensorischen Empfindsamkeit, der intensiven Wahrnehmung über die Sinne. Dazu gehören die taktile, akustische, visuelle, olfaktorische und gustatorische (Geruch und Geschmack) Wahrnehmung.
Das hat zur Folge, dass diese Kinder feinste Geschmacksnuancen wahrnehmen und auch die feinsten Düfte, die wir oft gar nicht mehr bemerken, intensiv von ihrer Nase aufgenommen werden. Diese intensiven Sinneswahrnehmungen können positiv sein, aber auch ganz schön schwierig und anspruchsvoll in der Begleitung der Kinder werden. Einerseits fallen die Kinder durch ihre äusserst feinen Geschmackssinne auf und sind kleine Feinschmecker, die Essen, welches ihnen schmeckt, sehr geniessen können. Allerdings kann diese äusserst differenzierte Geschmackswahrnehmung, deren sensorische Reize und Reaktionen auf das Gehirn, dazu führen, dass sie feinste Nuancen von Zutaten, die sie nicht mögen, wahrnehmen. Die Folge davon ist, dass sie vieles ablehnen. Oft mögen sie auch eine Auswahl an Mahlzeiten, die für sie sichere Werte sind, sehr gerne. Das sind oft Nudeln, Kartoffeln, Reis, auch Pommes Frites, generell bevorzugen sie «süsse» Lebensmittel, natürlich auch Süssigkeiten. Laut den Schilderungen der Eltern mögen sie bevorzugt Kohlenhydrate. Dann scheint auch die Textur des Essens eine grosse Rolle zu spielen: Ist es knackig, weich, angenehm bissfest oder vielleicht etwas «gschlüdrig»? Alle diese Eindrücke spielen für ein angenehmes Esserlebnis der Kinder eine Rolle. Bei der Aufteilung des Essens beobachte ich «Mischer und Teiler». Einige Kinder mögen es, wenn die Nahrungsbeilagen eines Essens ganz klar getrennt sind, andere mögen sie gemischt.
Nach meiner Beobachtung ist die Hochsensibilität beim Essen vor allem bei kleineren Kindern sehr spürbar, mit zunehmendem Alter nimmt der kulinarische Horizont in der Regel zu. Bei vielen Jugendlichen ist das Essen mehr und mehr unproblematisch. Einige von ihnen bleiben sehr heikel und selektiv in ihrem Essverhalten. Oft haben hochsensible Jugendliche auch hohe ethische Standards und bevorzugen daher eine vegetarische oder sogar vegane Ernährung.
Wie sich Nahrungsmittel auf das Wohlbefinden auswirken können
In meinen persönlichen Beobachtungen nehme ich einen engen Zusammenhang von starken Blutzuckerschwankungen, Stimmung und Wohlbefinden wahr. Vor allem bei emotionalem Essen werden solche zucker- und kohlenhydratreichen Nahrungsmittel, zum Dämpfen oder Regulieren von Gefühlen genutzt. Was führt zu starken Blutzuckerspitzen? Generell haben Kohlenhydrate einen starken Effekt auf den Blutzuckerlevel, noch stärker reagiert dieser auf alle Formen von Zucker. Bei Zucker handelt es sich bei Weitem nicht nur um den Haushaltszucker, sondern auch «gesündere» Formen, wie Honig, Agavendicksaft, Ahornsirup, Fructose, haben einen Einfluss auf den Blutzucker, wenn auch in etwas moderaterer Form.
Einige Eltern aus den Beratungen machen ähnliche Beobachtungen. Sie spüren bei ihren Kindern starke Reaktionen auf übermässigen Zuckerkonsum. Generell kann eine grössere Blutzuckerschwankung sich auch auf die Befindlichkeit der Kinder auswirken.
Zu den grossen Schwankungen können sich auch Momente mit sehr niedrigen Blutzuckerwerten gesellen. In solchen Situationen können die Kinder sehr gereizt wirken, zittern, Heisshunger haben und die Neigung zu Gefühlsschwankungen und Wutgefühlen zeigen. Es ist wichtig, einem niedrigen Blutzuckerlevel und Schwankungen des Levels vorzubeugen. Das gelingt mit regelmässigem Essen und, falls nötig, dazwischen gesunden Snacks.
Da Kohlenhydrate den stärksten Effekt auf den Blutzucker haben, sollten diese bei jeder Mahlzeit (auch Snacks) mit Eiweissen oder Fetten kombiniert werden. Auf diese Weise kann der Effekt der Kohlenhydrate auf den Blutzuckerspiegel gepuffert werden. Eiweisse beeinflussen den Blutzucker viel weniger stark, am wenigsten ist dies bei Fetten der Fall. Einige Kinder haben am Morgen, wenn sie aufstehen, wenig Energie und vielleicht auch einen niedrigen Blutzuckerlevel. Diese Kinder brauchen etwas Kleines zum Essen, vielleicht auch einen Traubenzucker, noch bevor sie sich anziehen oder an den Tisch begeben. Eltern haben diese Anregungen, welche sie von einem Kinderarzt bekamen, in einem Elternkurs geteilt.
Einige Anregungen um am Familientisch den Bedürfnissen aller Familienmitgliedern gerecht zu werden
Konflikte rund um das Essen können die eigenen Nerven ziemlich strapazieren. Wie Eltern mit dem heiklen Essverhalten ihrer Kinder umgehen, ist sehr unterschiedlich und hat auch stark mit der persönlichen Haltung und den persönlichen Werten zu tun. In den letzten Jahren haben Eltern verschiedene Haltungen und Umgangsweisen geschildert. Im Folgenden einige Varianten:
- Ein oder mehrere Gerichte kochen. Das ist natürlich aufwendig. Mit der Zeit steigt aber auch das Bedürfnis der Eltern, wieder vermehrt das Essen zu kochen, das auch sie als schmackhaft empfinden.
- Etwas kochen, was alle mögen, das schränkt allerdings das Angebot für alle ein.
- Dann könnte man auch die Haltung haben, es wird gegessen, was auf den Tisch kommt. Generell wirkt Druck kontraproduktiv und steigert die Konflikte. Hier könnte man alternativ einen sicheren Wert, wie z.B. Brot oder Pasta, anbieten.
- Wunschessen; das Kind darf einmal in der Woche das Mittagessen ganz nach seinem Geschmack wünschen, das mit der Abmachung bei den anderen Essen nicht zu reklamieren. Mit diesem Vorgehen hat eine Mutter eine gute Erfahrung gemacht.
- Der Grundtenor in den Elternkursen ist: die Sache entspannt angehen.
- ·Eine Mutter schilderte im Kurs, am Esstisch wolle sie keine Konflikte und koche daher immer auch etwas, was einen sicheren Wert für ihre Kinder darstellt.
Welche Werte sind für Sie beim Essen wichtig?
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