Rollende Kugeln scheinen Kinder magisch anzuziehen. In meinem Atelier begleite ich in letzter Zeit verschiedene Projekte mit ganz unterschiedlichen selbstgebauten Kügelibahnen.
Was reizt und fasziniert daran?
Manuel (7, Name geändert) weiss, wie der nächste Abschnitt der Bahn aussehen soll. Mit dünnem Karton baut er eine Kurve, die er mit Kleber und Heissleim befestigt. Zur Probe lässt er die Kugel rollen. Sie nimmt einen anderen Lauf als er meinte und plumpst auf den Boden. Manuel überprüft so seine Vorstellung an der Realität, er entwickelt seinen Realitätssinn. Was ist nun der nächste Schritt?
Manuel sieht, dass die Kugel zu hoch in der Kurve rollt. Er leimt an der Kartonkurve eine Bande an. Er entwickelt handelnd passende Lösungen, die er wieder erprobt. Die Kügelibahn bietet ihm ein Lernfeld, um mit Problemlösefertigkeiten zu experimentieren. Der Kuvenabschnitt lässt die Kugel nun so rollen wie gewünscht.
Der nächste Teil der Bahn ist eine Gerade mit wenig Neigung. Beim Proben rollt die Kugel mal wie erwünscht, mal bleibt sie stecken. Manuel experimentiert mit den Geschwindigkeiten der Kugel: Hat sie zu wenig Schwung, bleibt sie stecken, hat sie zu viel Schwung, hüpft sie über den Rand. Er erlebt und erprobt physikalische Kräfte der Mechanik und die Wirkung der Schwerkraft. Auf diese Weise handelnd, kann Manuel seine Selbstwirksamkeit unmittelbar erleben. Er baut so lange weiter bis er das Gefühl hat, sein Projekt sei beendet.
Jeder Bau einer Kügelibahn hat andere Qualitäten:
Ein Mädchen widmet sich am liebsten kleinen Bahnprojekten, die sie jeweils in eineinhalb Stunden baut. Diese haben eher fragile Elemente, welche störungsanfällig sind. Es braucht daher Feingefühl und «Gespür», um die Kugel im richtigen Mass anzustossen.
Einem anderen Buben purzeln die Ideen nur so aus dem Kopf. Es ist selber fasziniert von seinen Gedankengängen. Ob die Ideen in der Praxis dann auch funktionieren, ist für den Jungen zweitrangig. Wenn er eine Idee umgesetzt hat und die Kugel anders rollt als geplant, bietet sich ihm eine nächste Idee an, um die Kugel wieder in Schwung zu bringen.
Micha (7, Name geändert) baut über mehrere Stunden an seiner Bahn. Er liebt Holz und den handwerklichen Umgang damit. Seine Kügelibahn muss daher gehämmerte, genagelte und geschliffenen Holzelemente haben. Es ist eindrücklich, wie lange und ausdauernd er arbeitet, wie er Probleme sieht und gute Lösungen generiert.
Zum Bauen zu Hause eigenen sich einfache Materialien wie Zeitungen und Kopierpapier. Sie lassen sich zum Beispiel mit Malerklebband auf einer Treppe befestigen. Weiter kann Karton in verschiedenen Variationen genutzt werden (Röhren, Platten, Wellkarton), ferner Plastikmäppli, Glöckchen, Holzstäbe, Malerklebbband, durchsichtiges Klebband und Heissleim. Kleinere Kinder sind glücklich mit grossen Murmeln in Kartonröhren oder WC-Rollen.